Schulterinstabilität

  • Das Schulterhauptgelenk ist das beweglichste Gelenk in unserem Körper mit einem Bewegungsumfang von fast 360°. Es setzt sich aus dem Oberarmkopf und der Gelenkpfanne zusammen. Das Schultergelenk wird hauptsächlich durch Weichteile (Labrum, Bänder, Rotatorenmanschette) geführt und stabilisiert, was auf der einen Seite diesen ausserordentlichen Bewegungsspielraum ermöglicht, jedoch auf der anderen Seite anfälliger für Instabilität und/oder Luxationen macht. Es ist im Gegensatz zu anderen Gelenken, wie z. B. dem Hüftgelenk, relativ wenig knöchern ‘gesichert’.

    Ist eine Luxation oder Subluxation aufgetreten, kann diese häufig von anderen Weichteil- und Knochenstrukturverletzungen begleitet sein. Bänder, Gelenklippe oder Sehnen können betroffen sein. Die Knochenstrukturen, wie z. B.die Gelenkpfanne oder der Oberarmkopf, können Abschürfungenaufweisen. Je nach Ausmass der Begleitverletzungen kann über einen operativen Eingriff nachgedacht werden.

    Bei so viel Begrifflichkeiten kann es leicht passieren, den Überblick zu verlieren, deswegen werden hier kurz alle wichtigen Begriffe zur Schulterinstabilität erklärt:

    Schulterinstabilität: Die Unfähigkeit, den Oberarmkopf in der Gelenkpfanne zentriert zu halten.

    Subluxation: Der Oberarmkopf und die Gelenkpfanne haben teilweise Kontaktverlust unter Belastung. Eine spontane Reposition ist möglich.

    Schulterluxation: Der Oberarmkopf und die Gelenkpfanne verlieren permanent den Kontakt.

    Chronisch-wiederkehrende Schulterluxation: Der Folgezustand nach einer ersten traumatischen Schulterluxation.

    Willkürliche Luxation: Das Schulterhauptgelenk kann beliebig und kontrolliert ausgekugelt und selber wieder reponiert werden.

    Laxizität: Die normale und physiologische Gelenkbeweglichkeit, die benötigt wird, um die physiologischen Bewegungen ausführen zu können.

    Hyperlaxizität (Hypermobilität): Die über das physiologische Mass hinausgehende, gesteigerte Beweglichkeit eines Gelenkes, was zu einer klinischen Symptomatik führen kann.

    Bei einer Schulterinstabilität handelt es sich um ein sehr weitgreifendes Thema, denn je nach Art müssen auch die Therapien und Nachbehandlungen entsprechend ausgewählt und angepasst werden.

    Eine geläufige Klassifikation für Schulterinstabilität ist die nach Gerber. Hier unterscheidet man zwischen Instabilität und Hyperlaxizität (Hypermobilität) sowie indirekt zwischen traumatischer (unidirektionaler) und atraumatischer (multidirektionaler) Instabilität, wobei die Hyperlaxizität mit einer Instabilität kombiniert sein kann, jedoch primär keinen Krankheitswert besitzt.

    Grundsätzlich unterscheidet man 3 Arten von posttraumatischer Schulterinstabilität:

    • statisch

    • dynamisch

    • willkürlich

    Statische Instabilität bedeutet, dass der Oberarmkopf nicht in der Gelenkpfanne zentriert ist. Er kann entweder nach oben, hinten, vorne oder nach unten gewandert sein. Da es sich um keine vollständige Ausrenkung (Luxation) handelt, wird dies auch als Subluxation bezeichnet.

    Bei einer dynamischen Instabilität handelt es sich um ein vollständig ausgerenktes Schultergelenk, welches nicht reponiert wurde. Manchmal kann es vorkommen, dass die Betroffenen Schmerzen wahrnehmen, eine eingeschränkte Beweglichkeit aber dennoch gegeben ist. So etwas kann bei älteren Patienten beobachten werden, die z. B. gestürzt sind.

    Es gibt Instabilitäten nach einer Luxation, die in eine Richtung tendieren (vorne, hinten, oben, unten). Besonders Menschen, die hyperflexibel sind, können für Subluxationen anfällig sein.

    Unter willkürlicher Instabilität versteht man das kontrollierte Auskugeln des Schulterhauptgelenks. Es gibt Menschen, die die Schulter beliebig aus- und einrenken können (z. B. Schlangenmenschen im Zirkus).

    Jüngere Menschen haben ein erhöhtes Risiko für wiederkehrende Luxationen, da das Bindegewebe meist flexibler ist als bei älteren Menschen. Diese sind zwar nicht mehr so anfällig für wiederkehrende Luxationen, es können jedoch vermehrt Schädigungen der umliegenden Gewebe (Rotatorenmanschette, Bänder, Sehnen, Knorpel, …) nach Verletzungen auftreten.

  • Eine Luxation ist für die Betroffenen häufig sehr schmerzhaft. Oft wird die Fehlstellung deutlich als solche wahrgenommen. Nach einer professionellen Einrenkung gehen die Schmerzen relativ rasch zurück. Nach dem Reponieren werden die häufigsten Probleme als Unsicherheitsgefühl bei bestimmten Bewegungen aufgrund einer möglichen Instabilität beschrieben. Ist die Schulter nach vorne ausgekugelt, können z. B. bei Wurf- oder Schwimmbewegungen Gefühle der Instabilität wahrgenommen werden. Grundsätzlich werden die Begleitverletzungen einer Luxation als schmerzhaft empfunden (Muskel-, Nerven-, Bänder-, Sehnen-, Knorpel- oder Knochenverletzungen) und nicht die Instabilität an sich.

  • Abklärung bei Luxation

    In der Akutphase ist das wichtigste und erste Verfahren zur Abklärung ein Röntgenbild, um Verletzungen am Knochen ausschliessen zu können. Hier erkennt man die Position des Oberarmkopfes im Schultergelenk und das Ausmass der Luxation. Es kann vorkommen, dass während einer Luxation Knochenteile aneinander reiben, wobei an den beteiligten Knochenstrukturen sogenannte Dellen entstehen können. Auch diese sind im Röntgen erkennbar. 

    Abklärung bei Instabilität

    In der Arthrografie (Arthro-CT) kann man das Ausmass der Verletzung erkennen. Dies ist besonders wichtig, um eine chronische Instabilität abzuklären. Hier sind die Gelenklippe, Bänder und Sehnen und die Größe und Lokalisation der Schädigungen beurteilbar. Ausserdem kann die Größe von möglichen Knochenabbrüchen, die durch Aneinanderreiben von den beteiligten Gelenkpartnern (Oberarmkopf und Gelenkpfanne) entstanden sind, noch genauer ermittelt werden.

  • Nach einer nicht-operativen Reposition bekommt der Patient für 2 Wochen eine Schlinge zur Ruhigstellung und Stabilisierung. In der Nachuntersuchung stellt der Arzt fest, ob weitere Nachbehandlungen notwendig sind.

    Wurde nach einer Luxation z. B. ‘nur’ die Gelenklippe beschädigt und keine Knochenstrukturen, können je nach Ausmass der Verletzung rein funktionelle Massnahmen eingeleitet werden. Bei Weichteilverletzungen muss nicht immer eine OP durchgeführt werden. Hier kommen Physiotherapie, Mobilisation, gelenkstabilisierende Massnahmen, Muskelkräftigung, u. v. m. zum Einsatz.

    Kann die Schulterinstabilität mittels Physiotherapie und Übungen nicht beseitigt werden, dann kann eine Operation Abhilfe verschaffen. In der Regel gibt es zwei Arten von Operationen, die bei einer Instabilität je nach Ausmass der Verletzung durchgeführt werden:

    • Bankart-OP

    • Latarjet-OP

    Bei der Bankart-Operation geht es darum, die Gelenklippe mithilfe von Ankern und Federn wieder zu fixieren. Dieser Eingriff wird arthroskopisch durchgeführt.

    Hier wird praktisch nichts an der Gelenkfläche verändert.

    Die Latarjet-OP kann dann durchgeführt werden, wenn die Fixierung der Gelenklippe alleine für die Stabilität der Schulter nicht ausreichend ist oder das Ausmass des Knochenverlustes zu gross ist. Da hier Knochenstrukturen verändert werden müssen, ist der Eingriff aufwändiger als bei der Bankart-OP, was bedeutet, dass diese Art nicht immer mittels Arthroskopie durchgeführt werden kann.

    Hier wird ein Teil des Rabenschnabelfortsatzes abgetrennt und mithilfe von Schrauben am vorderen Rand der Gelenkpfanne fixiert, um so als Stabilisierung des Oberarmkopfes in der Gelenkpfanne zu dienen. Die ‘Gelenkfläche’ wird durch den Anbau des Rabenschnabelfortsatzes vergrößert.

    Welches Verfahren eingesetzt wird, ist individuell unterschiedlich. Je nach Aktivität der Person, Knochenverlust, Flexibilität u. a. wird über die Wahl des Eingriffes entschieden. Das Wiederauftreten der Erkrankung ist in der Regel bei einer Bankart-OP etwas höher als bei einer Latarjet-OP.